(Das Leben und Ich)
Ich wollte dieses Date von Anfang an nicht. Mal wieder eines der ehrgeizigen Projekte meiner besten
Freundin. Arbeitstitel diesmal: Beste Freundin unter die Haube zu bekommen. Stammleser wissen bereits: Sie hat nichts mit Pferden am Hut. Ein Wunder, dass wir überhaupt beste Freundinnen sind.
In ihrer unvergleichlich bestimmenden Art hat sie also dieses Blind Date arrangiert. Ein Arbeitskollege von ihr, wie großartig! Aber ich kenne die Frau nun einmal schon ziemlich lange und weiß: Gehe ich da nicht hin, werde ich das mindestens die nächsten 6 Monate auf das Übelste büßen müssen. Also Augen zu und durch. Aber damit ist es noch nicht genug. Sie will natürlich bei Mission Kuppelei nichts dem Zufall überlassen. Sie kommt bereits am Nachmittag bei mir vorbei und will mir ein komplettes "Make-Over" verpassen..."Schatz, ich glaube, du schaust zu viel komische TV-Sendungen." Meine ich seufzend. Was sie mit Augenrollen quittiert und an sonsten unkommentiert lässt. Sie ist damit beschäftigt, über meine viel zu kurzen Fingernägel zu fluchen. Mann, was sind das für Stummel??? Was soll ich denn daraus machen?" Tja. Nichts? Zum Mistschaufeln und Schubkarrenschieben brauchts keine langen Nägel. Sichtlich genervt feilt und poliert sie daran herum. Das Ergebnis finde ich persönlich echt gut. Sie runzelt die Stirn. Ihr nächster Weg führt zu meinem Kleiderschrank. Dort bessert sich ihre Laune nicht eben. "Was ziehst du denn sonst an, wenn du nicht auf der Arbeit bist? " Na, Reitklamotten halt." Natürlich besitze ich noch andere Kleider. Aber ihre genervte Art lässt mich trotzig werden.
Gefühlte 100 Outfits später scheint sie halbwegs zufrieden mit ihrer Auswahl zu sein. Nun macht sie sich daran, die vielen riesigen Lockenwickler (Ich meine LOCKENWICKLER??? Wer unter dem 90ten Lebensjahr besitzt sowas?) aus meinen Haaren zu zwirbeln. dabei rupft sie heftig an meiner Kopfhaut herum. Ah, genau. Deshalb habe ich keine solchen Dinker. Autsch!" Mit viel Schaum, Spray und Fön fällt sie über meine Haupthaar her und wuschelt, zieht und dreht, bis auch dieses Ergebnis ihren Ansprüchen genügt.
"Also, bevor du da jetzt hin gehst..." "Oh Nein! das ist nicht mein erstes Date! Jetzt keinen Vortrag bitte! und überhaupt! das wird doch eh eine einmalige Sache werden. " "Wenn du mir nicht zuhörst, wird es das sicherlich! Also: Die erste Regel heißt: KEIN WORT! und ich meine KEIN EINZIGES! Über deinen Pferdekram! das wirkt absolut abschreckend. Welcher Mann will schon eine extrem resolute und energische Frau, die es täglich mit einem 600kg-Monstrum aufnimmt, nie Zeit hat, alles Geld für den Zossen ausgibt und nach Pferd riecht??? Also bitte, Süße, reiß dich zusammen." Also das ist jetzt wohl nicht ihr ernst. Sie erteilt mit Verhaltensvorschriften? Na super! Gezwungener und steifer kann eine Verabredung ja kaum beginnen. Sie predigt weiter, als ginge es um den Weltfrieden, ich höre irgendwann nicht mehr zu. Bisher hatte ich einfach nur keine große Lust. Aber jetzt vergeht es mir langsam aber sicher komplett. Außerdem will ich morgen ja auf diesen O-Ritt. Und je später ich jetzt los komme, desto später kann ich nachher nach Hause, ohne total unhöflich zu sein. Also würge ich sie einfach ab. "Du, ich muss jetzt los. Mach dich nicht verrückt. Ich blamiere dich schon nicht." Mit einem Seufzen und einer Umarmung entlässt sie mich aus ihren Fängen.
Am anderen Morgen starten wir mit einigen Leuten vom Stall und fahren los, auf zum Orientierungsritt.
Am Startort angekommen sitze ich gerade auf und will zum Start reiten, da höre ich hinter mir eine nicht ganz fremde Stimme. " Äh...Julia?" Oh Nein! Nicht nur, dass das Date so katastrophal war, jetzt ertappt er mich auch noch bei einer fetten Lüge! Betont langsam drehe ich mich im Sattel um und... falle beinahe seitlich runter vor Schreck. Da steht ER, eine Hand lässig auf dem Horn seines Westernsattels abgestützt, der wiederum auf einem echten und wahrhaftigen Pferd liegt. "DU??? HIER??? Auf einem Pferd?" Ich bin gerade nicht fähig, ganze Sätze zu bilden, schwanke zwischen Erstaunen und Verlegenheit. Die Startfreigabe erlöst mich aus der Situation...aber nur kurz. Hier wird in Gruppen gestartet. und er reitet munter neben mir los. Na toll! Nun sind wir also die nächsten 20 km auch noch in einem Team!
Überraschenderweise dauert es nur ein paar Minuten und alle Verlegenheit (Auf beiden Seiten übrigens) ist verflogen. Wir plappern munter miteinander, erzählen uns die Geschichten unserer Pferde, wie wir zum reiten kamen und darüber gelangen wir zum Lieblingsessen, Lieblingsreiseziel... Er ist nett und charmant, ich fühle mich gerade saumäßig wohl. Aber eine Frage beschäftigt mich doch. "Sag mal, warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du ein Pferd hast und reitest?" Er reibt sich ein bisschen verschämt die Nase. "Nun ja, weißt du, mein bester Kumpel hat gesagt, ich solle auf gar keinen Fall beim ersten Date mit dem Pferdekram anfangen, das würde Frauen abschrecken..."
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